Das aktuelle Programm entwickelt sich immer weiter „Wir sollten wieder lernen, Widersprüche auszuhalten“

Wermelskirchen · Florian Schroeder tritt am Freitag mit seinem aktuellen Programm „Ausnahmezustand“ in der Katt auf. Im Interview spricht er über die Grenzen der Meinungsfreiheit und seine kabarettistischen Helden.

 Der Kabarettist Florian Schröder kommt am 22. Februar in die Kattwinkelsche Fabrik in Wermelskirchen.

Der Kabarettist Florian Schröder kommt am 22. Februar in die Kattwinkelsche Fabrik in Wermelskirchen.

Foto: Frank Eidel

Herr Schroeder, wie lebt es sich im „Ausnahmezustand“?

Florian Schroeder Nun, ich würde sagen, tendenziell etwas angespannt, hysterisch. Es gibt ungeheuer viel Verdacht und wenig Lernbereitschaft und Verständnis füreinander. Man ist sehr darauf bedacht, recht zu haben und die Gegenseite direkt ins Lager der Bösen zu verbannen. So erlebe ich die Gegenwart. Es findet im Diskurs statt, was militärisch befürchtet wird: Aufrüstung und Wiederbewaffnung. Differenzierung findet jenseits privater Räume kaum noch statt, stattdessen brüllt man sich lieber nieder.

Wie wichtig ist da das Politkabarett?

Schroeder Die Satire kann da nur versuchen, mit den Mitteln des Witzes, des Ironisierens und Zuspitzens, ein wenig den Dampf aus dem Kessel zu nehmen und den Leuten zu zeigen: Kommt runter und denkt nach, lasst Euch nicht infizieren. Es gibt eben nicht nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse, im Gegenteil: Das ist ein Rückfall in dunkle Zeiten. Darum geht es auch in „Ausnahmezustand“. Wir sollten wieder lernen, Widersprüche auszuhalten.

Verzweifelt man als Kabarettist nicht ab und zu am Weltgeschehen? Im Sinne von: Wie kann man die Realität noch überspitzt formulieren?

Schroeder Nein, die Frage stellt sich mir gar nicht. Man versucht, zu den Themen eine eigene Haltung zu finden. Als Komiker ist die aktuelle Lage ungeheuer spannend. Es geht wieder ans Eingemachte, und der Satiriker ist nicht mehr nur der Pausenclown, sondern Teil der Debatte. Das zeigt sich auch an der Annäherung von Satire und Journalismus. Beide könnten einander ja niemals ersetzen, aber sie stehen doch nicht mehr untereinander – oben der seriöse Journalismus, unten die unseriösen Quatschmacher – sondern sie stehen nebeneinander und ergänzen einander. Mein Eindruck ist, dass die Satire genauer, hintergründiger, journalistischer geworden ist, ohne an Witz eingebüßt zu haben, während Teile des Journalismus sich eher der Comedy angenähert haben: Ein schneller Witz, die schnelle Überschrift, Eyecatcher, Clickbaiting um jeden Preis.

Ist der „Ausnahmezustand“ ein sich am Tagesgeschehen entwickelndes Programm?

Schroeder Ja, unbedingt, ich bin verlässlich auf Ballhöhe. Jede Woche wird das Programm aktualisiert. Ich würde mich ja auch selbst langweilen, wenn ich andauernd das Gleiche erzählen müsste.

Haben Sie als Politkabarettist manchmal Angst, irgendwann nicht mehr alles sagen zu können?

Schroeder Wenn die blaue Partei mit dem Phallus-Symbol im Logo an der Macht wäre, dann wäre ganz schnell Schluss mit lustig, davon bin ich überzeugt. Wer sich schon von der Berichterstattung der freien Presse darüber, dass man zum Prüffall des Verfassungsschutzes wurde, in seiner politischen Arbeit eingeschränkt fühlt, der will doch eine linientreue Propagandapresse haben. Es kann also später keiner sagen: „Wir haben das ja alles nicht kommen sehen.“

Haben Satire und Kabarett Grenzen?

Schroeder Die Grenzen der Satire verlaufen an der Grenze des Grundgesetzes, alles andere ist verhandelbar und letztlich eine Frage des Geschmacks oder des Berufsethos. In meiner Arbeit versuche ich, nach oben zu treten und nicht nach unten, das ist aber wiederum eher eine ethische Frage.

Welche kabarettistischen Vorbilder – oder gar Helden – haben Sie?

Schroeder Als ich anfing, habe ich Mathias Richling inhaliert, später natürlich Harald Schmidt. Heute sind es Leute wie John Oliver und Stephen Colbert in den USA, mein Held aber bleibt David Letterman.

Welche jungen Kollegen können Sie besonders empfehlen?

Schroeder Ich schätze Tahnee sehr, sie ist fraglos eine der besten Frauen ihrer Generation. Sehr beeindruckend finde ich auch Tan Caglar, aber das sind nur zwei Namen, die stellvertretend stehen – es gibt viele andere tolle, auch ganz junge Kolleginnen und Kollegen.

Wie kamen Sie zum Kabarett?

Schroeder Das ist übers Radio passiert. Ich war beim Regionalradio, bei DASDING und SWR3. Irgendwann wurde ich von drei Kollegen aus Freiburg gefragt, ob ich nicht Lust hätte, bei einer Heinz-Erhardt-Show mitzumachen. Damals hatte ich gerade den Kleinkunstpreis an meiner Universität  gewonnen. Das war dann mein Einstieg – zum Glück war das ganz jenseits von Möbelhaus-Eröffnungen am Samstag im Regen.

Sie kommen aus Lörrach – wie viel Baden-Württemberg steckt in Ihren Programmen?

Schroeder Das hängt tatsächlich von der Materiallage ab. Wenn das Land liefert, dann kommt es auch vor. Und ich rede auch sehr ironisch über den grassierenden Schwabenhass, der ja nichts anderes als der Rassismus der Guten ist.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt erinnern?

Schroeder Ja, das war vor Jahren in Lörrach, in einer kleinen Kneipe im Rahmen einer offenen Bühne, wie man das damals nannte. Jeder konnte kommen und auftreten. Ich machte vier Nummern, also etwa 20 Minuten, mehr Material hatte ich auch gar nicht. Das hatte ich bei diversen Geburtstagsfeiern von ehemaligen Oberstudienräten in der Region erprobt und konnte mich also halbwegs verlassen, dass das Set funktioniert. Das war dann zum Glück auch so.

Gibt es im Publikum Unterschiede zwischen Oberstdorf und Kiel?

Schroeder Nein, das sind alles Vorurteile. Es hängt immer vom Künstler ab – und vielleicht noch vom Saal. Ist er voll? Stehen Tische drin, können sich die Zuschauer in Reihen gegenseitig „anstecken“. Oder sitzen sie weit voneinander entfernt? Da ist das Bühnen-Feng-Shui schon wesentlich entscheidender als regionale Unterschiede.

Was dürfen die Besucher am Freitag in der Katt erwarten?

Schroeder Einen sehr unterhaltsamen Abend rund um den Kampf Gut und gegen Böse. Das geht von der politischen Aktualität dann vom „bösen“ Diesel bis zur „guten“ Greta Thunberg. Mit dabei sind auch Themen wie Facebook, das autonome Fahren bis hin zur Frage: Gibt es die politische Korrektheit und wenn ja, wofür könnte sie gut sein? Außerdem können die Zuschauer in der Pause die Show kommentieren und mir Fragen stellen, es ist also jeder Abend anders.

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