Montagsinterview Achim Stollberg Zur Unterhaltung sollte sich Inhalt gesellen

Wermelskirchen · Die Katt macht Pause, Mitte September startet die neue Spielzeit. Achim Stollberg berichtet im Interview unter anderem über die abgelaufene Saison.

 Achim Stollberg, hier auf der Bühne der Halle I,  ist der künstlerische Leiter der Kattwinkelschen Fabrik.

Achim Stollberg, hier auf der Bühne der Halle I,  ist der künstlerische Leiter der Kattwinkelschen Fabrik.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Herr Stollberg, wie sieht Ihr Resümee zur abgelaufenen Spielzeit aus?

Achim Stollberg Insgesamt sehr gut, ich bin sehr zufrieden. Es gab zwar auch ein, zwei Hänger zwischendurch, aber die meisten Veranstaltungen waren sehr gut besucht. Qualitativ war die Spielzeit durchweg sehr gut besetzt.

Was waren Ihre persönlichen Highlights?

Stollberg Ein musikalisches Highlight waren „Friend & Fellow“ – auch wenn die beiden gern gesehen „Wiederholungstäter“ bei uns in der Katt sind. Was Constanze Friend aber im Januar für eine Leistung gebracht hat, war schon außergewöhnlich. Sowas, und das haben mir viele Besucher bestätigt, haben wir hier nur selten erlebt. Es hat alles gestimmt, die Interpretationen, die eigenen Songs, die Performance – das war eine echte Sternstunde, Gänsehaut pur. Sebastian Krämer und Wilfried Schmickler waren mit großartigen Programmen hier, Marco Tschirpe war ebenfalls toll – auch wenn sein Programm für einige Besucher etwas sperrig war. Es war sehr speziell, aber trotzdem hervorragend. Stefan Danziger war mit seinem ersten Programm ebenfalls wirklich unterhaltsam. Er hat als Fremdenführer – einen Job, den er in Berlin tatsächlich ausgeübt hat – ein tolles Programm mit vielen Alltagsbeobachtungen hingelegt. „Stunk Unplugged“ hat die Katt praktisch abgerissen – das war sensationelles Ensemble-Kabarett. Das Publikum war vom ersten Augenblick an voll mit dabei, und das gesamte Ensemble hat wunderbar harmoniert.

Welche Veranstaltungen kamen beim Katt-Publikum besonders gut an?

Stollberg Da muss ich noch einmal „Stunk Unplugged“ und Stefan Danziger nennen. Aber auch „Pause & Alich“, Lars Redlich und die „Zucchini Sistaz“ haben das Publikum wirklich begeistert.

Was waren denn die erwähnten Hänger?

Stollberg Im Grunde waren es keine Hänger, sondern nur nicht so gut besuchte Veranstaltungen. Da fällt mir spontan die Lesung mit Spiegel-Journalist Hasnain Kazim ein, der mit seinem Thema „Hassbriefe“ aktueller denn je ist. Da hätte ich mir einfach mehr Zuspruch gewünscht.

Worauf darf sich das Publikum in der kommenden Spielzeit freuen?

Stollberg Es wird ein neues Programm von Torsten Sträter geben, und sehr gespannt bin ich auf das neue Programm von Sebastian Pufpaff. Er hat eine so schöne Art, brisante Themen in einen humoristischen Kontext zu stellen, eine echte Gratwanderung. Spannend werden auch Robert Nippoldt und das Trio Größenwahn. Nippoldt ist ein sehr begnadeter Grafiker, der zusammen mit einem Jazz-Trio auftritt. Er zeichnet live, das Publikum sieht es auf der Leinwand und darauf reagiert die Musik – und andersrum. Es ist ein wunderbar analoges und sehr sinnliches Programm – und ziemlich einzigartig, wie ich finde. Die Freunde des französischen Chansons dürfen sich auf ein Programm mit Titeln der Nouvelle Vague, vorgetragen von Marie & Jean Cluade Séférian, im Januar freuen.

Gibt es Künstler, die einfach nicht fehlen dürfen?

Stollberg Das sind bei uns „Friend & Fellow“, die im Januar wieder zu Gast sind. Die beiden sind schon seit 20 Jahren bei uns und die Konzerte jedes Jahr ausverkauft. Das ist eine Verbindung zum Haus und zum Publikum, die sehr eng ist und auf gegenseitiger Zuneigung basiert. Dann die Brasshoppers Big Band und Rubber Soul, deren „Wohnzimmer“ die Katt ist. Aber natürlich auch Jürgen Becker, Wilfried Schmickler oder Herbert Knebels Affentheater. Diese Künstler begleiten die Katt seit den Anfangstagen.

Wie lange im Voraus planen Sie?

Stollberg Zwei Jahre voraus muss ich planen: Ich bin jetzt schon im Jahr 2021, in dem die Katt übrigens ihr 30-jähriges Bestehen feiert. Es gibt unheimlich viele Veranstalter und wenn man ein bestimmtes Programm anbieten möchte, muss man entsprechend weit im Voraus planen.

Welchen persönlichen Wunsch konnten Sie sich zuletzt erfüllen?

Stollberg Da würde ich gerne Quichotte nennen. Er ist zwar auch kein ganz junger Künstler mehr, er ist Mitte 30, aber er hat eine sehr moderne Auffassung von Wort- und Bühnenkunst. Und mit diesem erreicht er ein sehr breit gefächertes Publikum. Wenn ein klassisches Kabarettpublikum diese Mischung aus Stand-up, Poetry Slam und Rap gut und unterhaltsam findet, dann macht der Künstler auf der Bühne etwas ganz richtig. Der Abend war zudem höchst unterhaltsam. Quichotte war schon ausgesprochener Wunschkandidat, daher hat es mich sehr gefreut, dass es geklappt hat.

Und gibt es noch offene Wünsche?

Stollberg Da gibt es einige Künstler. Rainald Grebe oder Horst Evers wären schon großartig, daran arbeite ich auch. Ansonsten beobachte ich das Kleinkunst-Geschehen, sehe Entwicklungen, auch bei Künstlern, die schon länger dabei sind. Da habe ich manchmal den einen oder anderen Wunsch.

Gibt es neue Trends in der Kleinkunst?

Stollberg Es gibt immer Veränderungen, aber ich sehe im Moment keine richtigen Trends. Durch den Poetry Slam entwickelt sich das sicher stark, die Spoken-Word-Geschichten bieten oft eine andere Sicht auf die Dinge. Daraus entwickeln sich immer wieder neue Elemente und Dinge für die Bühne. Da muss man im Moment aber, glaube ich, noch ein wenig abwarten.

Viele „große Alte des Kabaretts“ treten langsam ab. . .

Stollberg Klar, manche scheinen auch ein wenig müde geworden zu sein. Volker Pispers hat klar gesagt: Wenn ich mit den Themen, die ich vor 30 Jahren schon hatte, auch heute noch auf die Bühne gehen kann, weil sich nichts verändert hat, warum mache ich das überhaupt noch? Einer wie Georg Schramm fehlt mir tatsächlich, weil er sehr pointiert seine Sicht auf die Welt präsentiert hat.

Sehen Sie hier Nachwuchs, der in die Fußstapfen treten kann?

Stollberg Max Uthoff und Claus von Wagner sind Protagonisten, die Format und Qualität genug haben, um eventuell auf einen Georg Schramm nachzufolgen. Aber eine Antwort hierzu wäre schon ein tiefer Blick in die Glaskugel. . . Max Uthoff kommt im nächsten Jahr glücklicherweise wieder in die Katt.

Wie wichtig ist politisches Kabarett heute?

Stollberg Politisches Kabarett ist heute genauso wichtig wie vor 20, 30 oder 50 Jahren. Das hat es immer gegeben und wird es immer geben. Was das Genre angeht, sind Uthoff, von Wagner und Hagen Rether ganz wichtige Vertreter, bei denen nicht nur die Unterhaltung, sondern eben auch die Recherche stimmen. Die Frage ist, was politisches Kabarett erreichen will – eine gesellschaftliche Veränderung oder „nur“ etwas in der Wahrnehmung und dem täglichen Umgang miteinander verändern? Wenn das Letztere der Fall ist, dann hat es doch schon viel erreicht. Man darf aber auch nicht vergessen, dass auch politisches Kabarett in erster Linie Bühnenkunst ist, in der es um die Unterhaltung geht. Gut ist, wenn sich zur Unterhaltung auch Inhalt gesellt.

Wolfgang Weitzdörfer führte das Interview

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