Neukirchen-Vluyn So steht es um unser Trinkwasser

Neukirchen-Vluyn · Neukirchen-Vluyn fällt nicht trocken. Das geht aus dem jetzt erstmalig vorgelegten Wasserkonzept hervor. Die größte Gefahr sind alte Rohre.

Foto: dpa/Patrick Pleul

28.000 Einwohner genießen einen Luxus, ohne etwas davon zu merken. Frisches Trinkwasser fließt aus dem Hahn. Und zwar in einer Qualität, die weltweit führend ist. Es ist im Durchschnitt 25 Stunden alt und mehr als 200 Kilometer weit unterwegs. Mit dem nun erstmals vorlegten Wasserversorgungskonzept für die Städte Moers und Neukirchen-Vluyn gibt es eine umfassende Bestandsaufnahme.

Wie sicher ist unser Trinkwasser? Welchen Einfluss hat die Nitratbelastung aus der Landwirtschaft? Wirken sich die alten Asbestzementrohre auf die Wasserqualität aus? Wird Trinkwasser privatisiert? Auf 53 Seiten versucht die Enni als Versorger zu informieren „ohne sensible Daten offenzulegen“. Ein merkwürdiger Spagat. Ab sofort bekommt der Stadtrat alle sechs Jahre ein dickes Informationspaket – über das Lebensmittel Nummer eins.

Wo kommt das Trinkwasser her?

Südlich von Neukirchen-Vluyn liegt die Wassergewinnungsanlage Niep Süsselheide und südlich von Moers liegen die Wassergewinnungsanlage Vinn I und II. Aus diesen drei Quellen stammt das Rohwasser aus Niederschlägen und Poldern, gefördert durch Brunnen, die 16-18 Meter tief (Vinn) und bis zu 30 Meter (Niep) tief in den Erdboden ragen. Was in Vinn aus den Tiefen gefördert wird, hat laut dem Konzept beinahe schon Trinkwasserqualität. Lediglich in zwei Brunnen müssen Eisen und Mangan herausgefiltert werden. Deutlich aufwendiger ist der Umgang mit dem Rohwasser in Niep Süsselheide. Es enthält grundsätzlich zu viel Eisen und Mangan; und ist darüber hinaus zu sauer. Darum wird es direkt dort durch Aktivkohlefilter gereinigt.

Sämtliches Rohwasser wird im Wasserwerk Wittfeldstraße aufbereitet und in das Leitungsnetz eingespeist.

Wer kontrolliert die Qualität?

An jedem Brunnen wird bereits Rohwasser durch externe Labore kontrolliert. Welche biologischen und chemischen Parameter dabei untersucht werden, regeln Landesgesetze. Der Nitratanteil im Rohwasser sei seit Jahren rückläufig, so das Enni-Konzept. Nitrat gelangt über Gülle und über den regen in den Boden. Es ist für Babys schädlich, für Erwachsene nicht direkt – kann aber im Körper in krebserzeugendes Nitrit umgewandelt werden.

Damit der Grenzwert für Nitrat (50mg/Liter) eingehalten werden kann, wird eine Menge getan. Rings um die Wasserschutzgebiete gehören zahlreiche Flächen der Enni und werden an Landwirte verpachtet. Die dürfen dort intensiv ackern, müssen sich aber an Auflagen halten. Das Rohwasser wird zudem auf Pflanzenschutzmittel, Arzneimittel und Radioaktivität untersucht. Der Befund: bisher keine Auffälligkeiten.

Am Ausgang des Wasserwerks wird die Qualität des aufbereiteten Trinkwassers untersucht. Es gebe fünf umfassende Untersuchungen pro Jahr. Die dabei gemachte Trinkwasseranalyse ist auf www.enni.de einzusehen.

Auch am Ausgang des Wasserwerks wird der Nitratgehalt ermittelt. Er ist im vergangenen Jahr angestiegen, liegt aber im Bereich des Erlaubten und bei weniger als der Hälfte des Wertes von 1994.

Wie steht es um die Wasserleitungen in Neukirchen-Vluyn?

Schlecht. Das rund 186 Kilometer lange Wassernetz ist im Schnitt 41,6 Jahre alt. Zu alt – denn es besteht zu 55 Prozent aus Asbestzementrohren. Weitere zehn Prozent der Wasserleitungen bestehen aus dem wegen seiner Weichmacher in Verruf geratenen PVC. Hinzu kommt ein geringer Anteil veralteter Graugussrohre. Die Enni hat es mit der Erneuerung des Wassernetzes nicht eilig; unter anderem weil es in den zurückliegenden Jahren nur wenige akute Schäden gab. Fünf bis sechs Kilometer Wasserleitung sollen pro Jahr erneuert werden. Das entspricht 0,5 Prozent des Neukirchen-Vluyner Netzes.

Welche Gefahren sieht die Enni für das Trinkwasser?

Grundsätzlich steht die intensive Landwirtschaft in der Gefahrenanalyse erst einmal neben der Bedrohung durch Verkehrswege – sowohl nach Unfällen mit Gefahrstoffen als auch durch den jährlichen Eintrag von Streusalz im Winter. Siedlungen können ebenfalls zu Gefahrenquellen für das Trinkwasser werden – nämlich immer wenn Kloaken überlaufen oder unzureichend entsorgt werden, Öltank Leck schlagen oder in Gärten zuviel Pflanzenschutzmittel versprüht werden.

Bei den Gegenmaßnahmen wird deutlich, dass offenbar die Landwirtschaft als größtes Risiko eingeschätzt wird. Die Enni ist nicht nur Großgrundbesitzer in den Wasserschutzgebieten, sondern kooperiert intensiv mit mehr als 40 Landwirten und Besitzern von Gartenbaubetrieben. Bei der Landwirtschaftskammer Kleve/Wesel bezahlt die Enni einen Gewässerschutzberater und es gibt zahlreiche kleine Maßnahmen – zum Beispiel Zuschüsse für eine gewässerschonende Fruchtfolge auf den Feldern.

Wie zukunftssicher ist die Trinkwasserversorgung?

Bis 2030 soll Neukirchen-Vluyn auf der einen Seite rund 7 Prozent der heutigen Bevölkerung verlieren. Andererseits sind zahlreiche Neubaugebiete geplant. Deshalb geht das Versorgungsunternehmen von einer gleichbleibenden Einwohnerzahl aus. Da viele Haushalte Wasser sparen, geht man davon aus, mit der heutigen Ausstattung auch nach 2030 auszukommen.

Wird die Trinkwasserversorgung irgendwann privatisiert?

Bereits heute hält die Innogy SE einen Anteil von 20 Prozent an der Enni Energie & Umwelt GmbH. Diese bekam die öffentliche Wasserversorgung über einen Konzessionsvertrag von den Städten Moers (70 Prozent) und Neukirchen-Vluyn (5 Prozent) übertragen. Die Enni ihrerseits darf aufgrund von wasserrechtlichen Bewilligungen durch das Regierungspräsidium Düsseldorf pro Jahr dem Boden acht Milliarden Liter Grundwasser entnehmen. Mit den Stadtwerken Duisburg und dem Wasserverbund Niederrhein gibt es Verträge über Wasserlieferungen – den sogenannten „Notverbund“. Es bedürfte politischer Beschlüsse.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort