Theater Krefeld Krefelds erste Geisteraufführung

Krefeld · Das gab es noch nie am Krefelder Theater: Am Sonntag, 15. März, kommt Antonin Dvoraks Märchenoper „Rusalka“ auf die Bühne. Die Premiere läuft anders als geplant: vor leeren Rängen. Das Theater bleibt bis einschließlich 30. März geschlossen – als Vorsichtsmaßnahme wegen des sich ausbreitenden Corona-Virus. Die Aufführung ist live im Internet zu sehen.

 Das Bühnenbild steht, der Theaterbetrieb läuft mit vollem Programm – nur das Publikum wird fehlen bei der Geisterpremiere von „Rusalka“.

Das Bühnenbild steht, der Theaterbetrieb läuft mit vollem Programm – nur das Publikum wird fehlen bei der Geisterpremiere von „Rusalka“.

Foto: Matthias Stutte

Diese Dame hat sich lange rar gemacht auf den Opernbühnen. Dafür schreibt sie nun Krefelder Theatergeschichte: „Rusalka“ tritt zur Premiere am Sonntag, 15. März, vor leeren Rängen auf. Das Theater ist wegen der Ausbreitung des Corona-Virus, wie berichtet, für zunächst die kommenden zwei Wochen geschlossen.  Doch die Produktion läuft weiter. „Das muss sein, damit wir, wenn sich die Lage entspannt, spielbereit sind“, sagte Intendant Michael Grosse.

Nun können alle, auch die, die keine Premierenkarten bekommen haben, die erste Aufführung per Livestream über den Youtube-Kanal des Theaters sehen. Und eine Oper entdecken. „Rusalka“ war erst im vergangenen Jahr in Köln als deutsche Erstaufführung gespielt worden, sagt Operndirektor Andreas Wendholz. Am Krefelder Theater war Antonin Dvoraks Oper 1969 zuletzt zu sehen, hat er recherchiert. Es war nicht die richtige Zeit für eine Märchenoper. „Man hegte gewisse Ressentiments, wenn es nicht gerade ,Hänsel und Gretel’ war“, sagt der Operndirektor. Jetzt sei die Zeit reif – und auch in anderen Häusern erlebt das 1901 uraufgeführte Opus eine Renaissance. Und meist nähern die Regisseure sich dem Märchen über die psychologische Interpretation. So wird es auch in Krefeld sein. Die Inszenierung hat Ansgar Weigner gemacht.

Wer ist Rusalka? Rusalky heißen im Tschechischen die Wassergeister. Das Libretto von Jaroslav Kvapil erzählt von einer Nixe, die sich in einen Prinzen verliebt und seinetwegen ganz Mensch werden will. Grundlage seiner Geschichte sind der alte Melusinen-Stoff, Andersens Märchen von der kleinen Meerjungfrau und die deutsche Undine-Erzählung.

 Die fremde Fürstin (Eva Maria Günschmann, in Rot) mit den Elfen (v.l. Maya Blaustein, Gabriela Kuhn, Anne Heßling)

Die fremde Fürstin (Eva Maria Günschmann, in Rot) mit den Elfen (v.l. Maya Blaustein, Gabriela Kuhn, Anne Heßling)

Foto: Matthias Stutte

Worum geht es? Die Nixe ist zu jedem Opfer bereit. Wenn sie das Herz des Prinzen gewinnen will, muss sie aufhören, zu sprechen. Sollte der Prinz sich nicht in sie verlieben, dann muss  er sterben. Harte Bedingungen – zumal viel böser Zauber im Spiel ist, der Rusalkas Mission erschweren wird. Und eine fiese Rivalin gibt es ebenfalls. Es ist der uralte Konflikt von Natur und Gesellschaft, die Geschichte von den Naturwesen, die unter den Menschen scheitern müssen.

Was steckt unter der Oberfläche? 1901, als Dvoraks Oper am 31. März am Prager Nationaltheater uraufgeführt wurde, war Sigmund Freuds  Traumdeutung gerade erschienen und bot reichlich Diskussions- und gesellschaftlichen Zündstoff. Wer sich mit dem Sektionsbesteck der Psychoanalyse an „Rusalka“ begibt, wird fündig: Die Nixe mit dem menschlichen Oberkörper und dem Fischschwanz ist Urbild der asexuellen Frau, einer „Manko-Frau“, die verwandelt werden muss, um die Liebe zu erfahren. „Weigner macht eine Art Familienaufstellung, um die Figuren psychologisch zu durchdringen“, sagt Wendholz.

Wie ist der psychologische Ansatz? Weigner holt die Figur aus dem rein märchenhaft-fantastischen Umfeld heraus: Der Wassermann ist der Vater, die Hexe und die fremde Fürstin werden zur Figur der Mutter zusammengezogen. Die leidet am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, bei dem Betroffene Krankheiten ihrer Kinder vorgeben oder verursachen, um selbst Aufmerksamkeit zu bekommen und ihre Schutzbefohlenen pflegen zu können. Rusalka hat keinen Fischschwanz, sondern einen Rollstuhl. In ihrem Zimmer hortet sie Zeitungsausschnitte des Prinzen, die sie anhimmelt. Weil sie nicht sprechen kann, erlebt sie Zurückweisung und Ausgrenzung.

Wie funktioniert das zur Musik? Dvoraks Musik kann als Kommentar zur Handlung gehört werden. In der Tradition Richard Wagners hat Dvorak sechs musikalische Motive seinen Personen zugeordnet. „Weigner hat das sehr fein heraus gehört und entwickelt daraus die Personenführung“, sagt Wendholz. Die Oper erlebt der Zuschauer aus der Perspektive Rusalkas.

Was ist noch gut zu wissen? Ansgar Weigner hat vor etwa neun Jahren die Kinderoper „Die kleine Meerjungfrau“ fürs Theater Krefeld und Mönchengladbach inszeniert. Die Aufführung erfolgt in der tschechischen Originalsprache mit deutschen Übertiteln. Die Sänger haben intensiv mit einem Sprachcoach die Aussprache trainiert. Die Aufführung dauert etwa 2 3/4 Stunden mit einer Pause. Für Dorothea Herbert, die in Mönchengladbach für die Partie der Salome gefeiert wurde, ist die „Rusalka“ ihr Krefeld-Debüt.

Die Vorstellung am Sonntag, 15. März, beginnt um 18 Uhr. Außer Dorothea Herbert singen: David Esteban (Prinz), Eva Maria Günschmann (Fremde Fürstin, Hexe), Hayk Déinyan (Wassermann), Kairschan Scholdybajew (Heger), Boshana Milkov (Küchenjunge) und Maya Blaustein, Gabriela Kuhn und Anne Heßling als Elfen. Die musikalische Leitung hat Diego Martin-Etxebarria. Für ihn ist es die letzte Produktion am Gemeinschaftstheater. Er wird neuer Erster Kapellmeister an den Städtischen Theatern Chemnitz. Sein Engagement tritt er am 1. April an. Seine erste Aufgabe am Pult ist die Mozart-Oper „Die Entführung aus dem Serail“.

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