„Caveman“ Höhlenmensch in der Klischee-Hölle

Die Theatervorlage brach Rekorde, nun kommt die Geschlechterkomödie „Caveman“ ins Kino. Die Hauptdarsteller machen ihre Sache gut. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack.

 Moritz Bleibtreu in „Caveman“.

Moritz Bleibtreu in „Caveman“.

Foto: dpa/Jürgen Olczyk

Der kleine Unterschied und seine alltäglichen Folgen für die Beziehung zwischen Frauen und Männern ist ein Dauerbrenner, der nicht nur Paartherapeutinnen und Paartherapeuten, sondern auch Heerscharen von Comedians das Einkommen sichert. Unglaubliche 14 Millionen Menschen in 55 Ländern haben Rob Beckers „Caveman“ seit seiner Premiere 1991 gesehen. Am New Yorker Broadway avancierte die Komödie zum am längsten aufgeführten Solo-Stück aller Zeiten. In Deutschland trat „Caveman“ seinen Siegeszug 2000 im Hamburger „Tivoli“ und der Berliner „Kulturarena“ mit dem Schauspieler Kristian Bader an, der das Stück frei ins Deutsche übersetzte und seitdem mehr als 1000 Mal in der Rolle des Höhlenmenschen auf der Bühne stand. Mit komödiantischer Akribie türmt das Stück die Geschlechterklischees aufeinander, um sie mit großem Wiedererkennungswert für das Publikum hemmungslos zu überhöhen.

Als Fundament dient die (keineswegs bahnbrechende) These, dass das Unverständnis zwischen Männern und Frauen bereits in der Urzeit angelegt wurde, als die Herren der Schöpfung noch als Jäger in den Wald zogen, während die Damen als Sammlerinnen ihren Beitrag zur Ernährung leisteten. Die Komik entsteht dann im Abgleich zwischen frühzeitlichem und modernem Verhalten, bei dem die Männer als nutzlos gewordene Jäger besonders schlecht abschneiden.

Im Hause Constantin bleibt kein Bestseller unverfilmt, das gilt für Romane und nun auch für Bühnenstücke. Als Drehbuchautorin und Regisseurin bricht Laura Lackmann („Mängelexemplar“) die Statik des Ein-Mann-Stückes auf, um es in einen Ensemblefilm zu verwandeln.

Die Rahmenhandlung bleibt der Bühne verpflichtet: Der unglückliche Autoverkäufer Bobby (Moritz Bleibtreu) versucht sich mit einer Zweitkarriere als Comedian, aber ausgerechnet am Premierenabend macht Ehefrau Claudia (Laura Tonke) mit ihm Schluss. Auf der Bühne beginnt Bobby nun seine Beziehung aufzuarbeiten und will am Ende das Publikum darüber abstimmen lassen, ob er der Vollidiot ist, für den er sich hält. In den Rückblenden geht es an die Anfänge der Liebe in einer Bar, wo gemeinsam über die glückliche Geschlechtsneutralität von Seepocken philosophiert wird. Die beiden entdecken ihre Seelenverwandtschaft.

Davon bleibt einige Jahre später in der verheirateten Reihenhausexistenz kaum noch etwas übrig. Das liegt, wie Bobby aus eine Frauenmagazin erfährt, an der Angleichung der Hormonspiegel während der Verliebtheitsphase, die dann wieder auf ihr jeweiliges geschlechtsspezifisches Niveau absinken. Solche wissenschaftlichen Erkenntnisse sind für den Mann, der vergeblich versucht, seine Frau zu verstehen, genauso tröstlich wie das frühzeitliche Erklärungsmuster von Jägern und Sammlern, Speer und Körbchen. Nur dass diese Erkenntnisse das Ehedilemma noch mehr verschärfen, weil Claudia mit der Neandertaler-Logik wenig anzufangen weiß.

Wie die Theatervorlage spart auch die Filmadaption nicht an Klischees. Männer reden weniger, stieren nach einem schlechten Tag auf den Fernseher, interessieren sich nicht für Mode und laufen tagelang mit einem bekleckerten Sweatshirt durch die Gegend. Frauen hingegen haben ein unstillbares Kommunikationsbedürfnis, verständnisvolle Freundinnen, begehbare Kleiderschränke und eine ausschweifende Schuhsammlung. Das was hier an Stereotypen übereinander gestapelt wird, ist dann schon ziemlich abgegriffen.

Vielleicht liegt der etwas miefige Geruch an der Herkunft des Originals, die mittlerweile fast ein Vierteljahrhundert zurückliegt. Mag sein, dass sich seitdem an dem grundsätzlichen Unverständnis zwischen Männern und Frauen wenig geändert hat, aber die Art der Missverständnisse dürften andere sein.

Immerhin hat die Me-Too-Debatte die Gewichte im Geschlechterkampf deutlich verschoben, wächst doch eine neue Generation mit neuen Gender-Debatten heran, die nach einer anderen Aufarbeitung auch im Comedy-Format verlangen. Davon ist in „Caveman“ nichts zu spüren. Auch wenn Laura Lackmann die Pointen über die Geschlechterdynamik ein wenig paritätischer verteilt und in der Zielgeraden beim Happy End auch einmal die Mann-Frau-Brille absetzt, bleibt der Nachgeschmack. Das ist bedauerlich, weil der Film mit Laura Tonke und Moritz Bleibtreu über veritable schauspielerische Ressourcen verfügt, mit denen man einen mutigeren, aktuelleren und kreativeren Blick auf das älteste Thema der Welt hätte wagen können.

„Caveman“, Deutschland 2021 – Regie: Laura Lackmann; mit Moritz Bleibtreu, Laura Tonke, Wotan Wilke Möhring, Martina Hill, Jürgen Vogel; 100 Minuten

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