Interview mit DLD-Chefin Steffi Czerny „Wir müssen zu einem konstruktiven Diskurs zurückkehren“

Düsseldorf · Ein Digitalminister, der anpackt, weniger Furcht vor der Zukunft und ein Muster, das erfolgreiche Gründer verbindet. Die DLD-Gründerin Steffi Czerny verrät zur 15. Auflage der Zukunftskonferenz von Hubert Burda Media, wie unsere Gesellschaft die Digitalisierung meistern kann und wie sie zu einer der wichtigsten Netzwerkerin des Landes wurde.

 Steffi Czenery hat vor 15 Jahren die DLD-Conference mit aus der Taufe gehoben.

Steffi Czenery hat vor 15 Jahren die DLD-Conference mit aus der Taufe gehoben.

Foto: Hubert Burda Media/ap fotografie

Wo muss Deutschland digital aufholen?

Czerny Die wohl größte Herausforderung ist eine kulturelle: Wir müssen in Deutschland noch viel mehr begreifen, dass die Digitalisierung jeden Bereich unseres Lebens betrifft und wir sie deshalb nicht ignorieren können, sondern begrüßen müssen. Es wird höchste Zeit, dass wir die Digitalisierung als Chance sehen und nicht per se als etwas Schlechtes, vor dem man sich fürchten muss. Wir brauchen Mut und Optimismus, um die Zukunft nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Deshalb haben wir „Optimism and Courage“ als diesjähriges DLD-Motto gewählt, und das bedeutet auch, offen für Veränderungen zu sein. Wenn wir zu zögerlich sind, werden andere für uns entscheiden, wie wir morgen leben werden – und das kann nicht in unserem Interesse sein.

Brauchen wir auch eine Digitalministerin oder Digitalminister?

Czerny Wenn die Digitalministerin oder Digitalminister in der Lage ist, beim Digitalwandel tatsächlich etwas zu bewegen: dann ja, auf jeden Fall! Wenn sie oder er aber nur Repräsentant eines wirkungslosen Regierungspostens ist, dann würde solch ein Amt lediglich mehr Bürokratie bedeuten, und darauf können wir verzichten.

Auf der DLD-Gästeliste stehen regelmäßig die Topgründer aus aller Welt: Vermissen Sie deren Gründergeist hier in Deutschland?

Czerny Nein, denn es gibt sehr viele gute Gründer in Deutschland. Man muss sie nur entdecken, fördern und vor allem willig sein, sie nachhaltig zu unterstützen. Dazu gehört auch, Scheitern zu akzeptieren, ja sogar zu begrüßen, wie es im Silicon Valley üblich ist. Dort wird Scheitern als Chance zum Lernen gesehen – damit die Aussichten auf Erfolg beim nächsten Mal besser sind.

Was unterscheidet die DLD von den unzähligen anderen Digitalkonferenzen?

Czerny DLD steht für Digital, Life und Design. Die Konferenz konzentriert sich nicht allein auf Technologie, Wirtschaft oder Lifestyle. Bei DLD diskutieren wir mit Vordenkern aus allen Gebieten und allen Teilen der Welt über die brennendsten Themen, die uns alle bewegen. Dazu gehören 50 Jahre Mondlandung, die Zukunft Afrikas und Tanz, Malerei, Design genauso wie künstliche Intelligenz und gesellschaftliche Fragen. Deshalb kommen bei uns nicht nur Gründer, Tech-Visionäre oder Unternehmenslenker zu Wort, sondern auch Künstler und Wissenschaftler.

Zum 15. Mal findet die DLD statt. Sie bringen die Topleute aus den unterschiedlichsten Gattungen zusammen. Was haben Sie über Ihre Gäste in den letzten Jahren gelernt, wenn es darum geht, die Herausforderungen unserer Gesellschaft gemeinsam zu meistern?

Cerny Mir ist über die vielen Jahre vor allem aufgefallen, dass erfolgreiche Gründer an einem gewissen Muster wiederzuerkennen sind: Sie sind besessen von ihrer Idee und verfügen über ein ausgezeichnetes Netzwerk, das sie nachhaltig pflegen. Wenn wir in Deutschland ein Ökosystem nach Art des Silicon Valley aufbauen wollen, brauchen wir nicht nur politische Absichtserklärungen, sondern eine Mischung aus guten Universitäten, innovativen Unternehmen und echtem Gründergeist. Ist das Netzwerk erfolgreich, hat das wiederum Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft, die bevorstehenden Herausforderung erfolgreich zu meistern. Vielversprechende Anzeichen gibt es auch schon in Städten wie Berlin, München oder Karlsruhe, wo hervorragende Universitäten zunehmend mit Investoren und Startups kooperieren. Und viele Gründer bekommen Unterstützung – Rat ebenso wie Geld – von anderen, die bereits Erfolg hatten, etwa aus dem Umfeld von Rocket Internet oder Zalando. Das heißt: Da blüht bereits etwas auf, und das macht mir Mut.

In diesem Jahr wird die Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg auftreten. Der Konzern hat turbulente Monate hinter sich, und vermutlich auch noch vor sich. Was versprechen Sie sich von Sandbergs Auftritt?

Czerny Ich verspreche mir von ihr eine ehrliche Stellungnahme zu den Herausforderungen, vor denen Facebook steht – und einen Plan, wie die Firma das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen möchte. Der Gedanke, der hinter Facebook und anderen sozialen Netzwerken steht, ist ja eigentlich ein guter und potentiell sehr wertvoller für die Gesellschaft: Menschen in Kontakt zu bringen, den Austausch von Ideen zu fördern – genau das schafft die Grundlage für Fortschritt und eine bessere Zukunft. Die Betreiber der Netzwerke müssen aber endlich Wege finden, Feindseligkeiten und Fehlinformationen von ihren Plattformen zu verbannen, damit das Positive überwiegt und wir zu einem zivilen, konstruktiven Diskurs zurückkehren können.

(dafi)
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