250. Geburtstag Korse auf Kriegsfuß

Vor bald 250 Jahren, am 15. August 1769, wurde Napoleon Bonaparte geboren. Innerhalb weniger Jahre veränderte der Korse die politische Landkarte Europas. In Deutschland hat seine Herrschaft tiefe Spuren hinterlassen.

  „Napoleon überquert die Alpen“, Jacques-Louis David, 1800

„Napoleon überquert die Alpen“, Jacques-Louis David, 1800

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Er wurde abgrundtief gehasst und heiß geliebt. Ein Großteil seiner Zeitgenossen fürchtete, verehrte oder verdammte ihn. Über ihn wurden unzählige Bücher geschrieben, die Leben, seine Lieben und Leidenschaften spiegeln. Seine Feldzüge und Schlachten wurden penibel durchleuchtet, die unzähligen Toten und Verletzten summierten sich zur bedrückenden Anklage.

Und die Nachwelt? Sie ist immer noch gespalten ob seiner Taten und seiner Politik, die Europa nachhaltig verändert haben. Napoleon Bonaparte, der kleine Soldat aus Korsika, stieg innerhalb weniger Jahre zum Kaiser Frankreichs auf. Seinem übergroßen Ego gemäß krönte sich der Korse, der nie richtig Französisch gelernt hatte, 1804 in der Kathedrale Notre-Dame in Paris in Anwesenheit des Papstes (Pius VII.) selbst zum Kaiser. Anschließend setzte er auch noch seiner Frau Joséphine selbstbewusst die Krone auf.

Das Oberhaupt der Katholischen Kirche saß dabei und musste es geschehen lassen. Mit ein paar Gesten hatte Napoleon der Welt gezeigt, wer die Macht innehat. Doch sein Allmachtsrausch währte nicht lange. Nach gut zehn Jahren war Napoleon von seinen Widersachern militärisch geschlagen und abgeschoben ins Exil: Sic transit gloria mundi. Ja, so glanzlos vergeht die Herrlichkeit auf Erden.

Als Napoleon vor 250 Jahren am 15. August 1769 in Ajaccio auf Korsika geboren wurde, war die Insel erst ein Jahr im Besitz Frankreichs, das das Eiland im Mittelmeer für zwei Millionen Franc von der Republik Genua gekauft hatte. Napoleons Eltern gehörten dem niederen korsischen Adel an. Der Vater mischte bei Aufständen und Unruhen als Verfechter politischer Freiheit gegen die Besatzer mit. Doch das half nichts. Korsika wurde französische Provinz.

1779 kommt Napoleon an die Militärschule von Brienne, im Oktober 1784 wird er als Kadett in die Militärschule von Paris aufgenommen. Er fällt wegen seiner schnellen Auffassungsgabe und seines mathematischen Talents auf. In Paris atmet er schon die Luft der Vorrevolutionszeit. Der aufziehende Umsturz 1789 krempelte Frankreich politisch und sozial um. 1787 hatte Napoleon sich beurlauben lassen und war nach Korsika zurückgekehrt.

Im Jahr der Revolution aber schließt er sich einem Volksaufstand an, kehrt 1792 zurück nach Paris und tritt als Hauptmann wieder in die französische Armee ein. Die folgenden Jahre des Umbruchs bieten ihm die Gelegenheit, an seiner Karriere zu feilen – in unterschiedlichen Positionen an verschiedenen Orten und auf diversen Schlachtfeldern.

Die napoleonischen Kriege außerhalb Frankreichs haben die Ideen der Revolution innerhalb Europas weit verbreitet. Auch wenn Napoleon am Ende die Ideale der Revolution mit ihren individuellen Freiheitsrechten seiner Eitelkeit und dem Titel Kaiser untergeordnet hat, so hat er doch die Fackel der damals anbrechenden gesellschaftlichen Modernisierung weitergetragen – auch nach Deutschland.

Frankreich mit seiner Armee hatte die linksrheinischen Gebiete nach dem Frieden von Lunéville 1801 annektiert. Fünf Jahre später wurden die Preußen in der Schlacht bei Jena und Auerstedt besiegt. Ende Oktober 1806 marschierte der Franzosenkaiser mit seinen Soldaten in Berlin durch das Brandenburger Tor. Tausende Menschen jubelten ihm zu und riefen begeistert „Vive l’Empereur“.

Die Quadriga über dem Brandenburger Tor ließ Napoleon demontieren und nach Paris bringen – eine gezielte und tiefe Demütigung Preußens. Er integrierte 1806 die rechtsrheinischen Gebiete und schuf neben dem neuen Königreich Westfalen einen weiteren Modellstaat – das Großherzogtum Berg mit Düsseldorf als Hauptstadt. 1811 besuchte er die heutige Landeshauptstadt.

Die Neuordnung des deutschsprachigen Raumes war juristisch bereits 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss eingeleitet worden. Wie in einem Gesicht die Sommersprossen, so waren auf deutschem Gebiet rund 300 Klein- und Mittelstaaten, geistliche Territorien und Reichsstädte verteilt gewesen. Sie wurden nun zu größeren Territorien zusammengefasst, die geistlichen Besitztümer säkularisiert. Der deutsche territoriale Flickenteppich schrumpfte auf weniger als 40 Gebiete. Vor allem die süddeutschen Staaten verzeichneten Gebietszuwächse. Napoleon wollte mit seiner Neuordnung ein funktionierendes Bollwerk gegen den Widersacher Österreich schaffen.

Nun hatte der Franzose die weitgehende Kontrolle über den deutschsprachigen Raum gewonnen. Viele deutsche Staaten erklärten den Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich und traten 1806 dem von Napoleon ins Leben gerufenen Rheinbund bei. Dessen Mitglieder verpflichteten sich, für Napoleons Feldzüge Soldaten bereitzustellen. Im Gegenzug wurden ihre Territorien modernisiert und leistungsfähiger gemacht. Auch das geschah nicht selbstlos. Europas Großmächte Österreich und Preußen sollten durch moderne und schlagkräftige Staaten eingehegt werden.

Zum napoleonischen Modernisierungs- und Förderprogramm gehörten liberale Reformen wie Gewerbefreiheit und Zivilehe, öffentliche Gerichtsverfahren und Rechtsgleichheit. Der Frondienst wurde abgeschafft und die Emanzipation der Juden gefördert. Der von Napoleon eingeführte Code Civil schuf ein einheitliches Zivilrecht. Das Berufsbeamtentum entstand, während die Sonderrechte für den Adel verschwanden. Das alles blieb nicht ohne Folgen: Auch Preußen setzte nun gezwungenermaßen auf Neuerungen und leitete ein Modernisierung des Staates ein. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Napoleon und seine Armee wurden trotz allem vielerorts als unterdrückende Besatzer empfunden. Diese Tatsache wirkte am Ende wie Dünger für das Entstehen eines deutschen Nationalbewusstseins.

Napoleon ging es bei all seinem Tun um die Antwort auf die Frage: Wer hat das Sagen in Europa? Er wollte Frankreichs Hegemonie auf dem Festland zementieren. Bei Austerlitz schlug er 1805 die verbündeten russischen und österreichischen Truppen. England konnte er schwerlich angreifen. Bei der Seeschlacht von Trafalgar im selben Jahr war die französische Flotte vernichtet worden. So glaubte er, England nur durch einen Wirtschaftskrieg mit einer Kontinentalsperre bezwingen zu können. Russland war ihr beigetreten und hatte sich verpflichtet, die Skandinavier mit ins Boot zu holen.

In Portugal rückten Napoleons Truppen ein, er besetzte Spanien und machte seinen Bruder Joseph zum König. Wer sich der Kontinentalsperre versagte, wurde zur Unterstützung gezwungen. Dieser Gewaltkurs mit ständigen Kriegen (rund 60) nährten den Widerstand. Die Armee musste immer mehr Soldaten mit Zwang außerhalb Frankreichs rekrutieren. Die Herrschaft Napoleons wurde als Despotie empfunden. Frankreich rutschte durch den hohen Militärbedarf in eine Wirtschaftskrise. Die Folge war eine bedrückende Arbeitslosigkeit, die Ausfuhren stockten, der Kolonialhandel kam teilweise zum Erliegen.

Der Schwachpunkt in Napoleons Kalkül war Russland, das durch die Sperre hohe Einbußen verkraften musste. Der Zar wurde aktiv. Er durchbrach 1810 die Sperre. Wollte Napoleon England wirtschaftlich wirklich in die Knie zwingen, musste er seinen Einfluss über Russland als Waffe gegen England festigen.

Das bedeutete Krieg: Mit einem Heer von 600.000 Mann (nur ein Drittel waren Franzosen) zog der Korse 1812 nach Osten. Die Russen wurden zwar bei Smolensk geschlagen, der Zar wich aber jeder Entscheidungsschlacht aus, seine Soldaten zogen sich hinter Moskau zurück. Wenige Tage später brannte die weitgehend menschenleere Stadt, die Russen hatten sie angezündet. Napoleon war seines Winterquartiers beraubt, er bot dem Zaren den Frieden an, doch der reagierte nicht. So blieb Napoleon nichts anderes übrig, als mit den ihm verbliebenen rund 100.000 Mann den Rückzug anzutreten. Schnee, Kälte, Hunger und Krankheiten dezimierten die einst „Große Armee“ auf rund 30.000 Mann.

Der Feldherr war nach Paris vorausgeeilt, um frische Truppen auszuheben. In Preußen, das so viele Soldaten hatte stellen müssen und Tote zu beklagen hatte, jubelte man. Die Menschen spürten das aufziehende Ende des Korsen, der sein Blatt überreizt hatte.

Im Februar 1813 unterschrieben die Preußen einen Allianzvertrag mit Russland. Was folgte, war der Showdown mit wechselseitigen Erfolgen. Im Oktober 1813 kam es bei Leipzig zu der bis dahin in der Geschichte größten Schlacht. In dieser „Völkerschlacht“ kämpften mehr als eine halbe Million Soldaten aus ganz Europa. Der schwere Aderlass des Russlandfeldzuges machte Napoleon zu schaffen. Er hatte trotz allem mehr als 400.000 Mann mobilisieren können. Mangel herrschte jedoch an erfahrenen Offizieren, Pferden und Artillerie. Napoleon konnte auf preußische und österreichische Truppen nicht länger zurückgreifen. Der Deutsche Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I. verbanden sich. Später trat auch Österreich der Koalition bei.

Es kam zum Schlagabtausch. Lange blieb die Entscheidung offen. Am Ende siegten die Verbündeten. Doch damit war der Kampf gegen Napoleon noch nicht entschieden. Die Sieger wollten nach Paris, wobei kleinere Schlachten (Champaubert oder Montmirail) ihren Vormarsch nur bremsen konnten. Am 31. März 1814 zogen der Zar und der König von Preußen in Paris ein. Bei der Gelegenheit holte Wilhelm die Quadriga zurück nach Berlin.

Eine Woche später dankte Napoleon ab. Er musste ins Exil nach Elba. Doch die Gedanken an Revanche ließen ihn nicht ruhen. Der einstige Kaiser eilte zurück nach Paris, übernahm Mitte Juni 1815 den Oberbefehl über die Truppen, mit denen er gegen die Alliierten vorgehen wollte. Die hatten ihn für „vogelfrei“ erklärt – jeder,  der ihn aufgriff, durfte ihn töten. Am 18. Juni 1815 kam es zur Schlacht von Waterloo, die die napoleonische Ära endgültig beendete. Die Engländer schickten Napoleon an Bord der „Bellerophon“ auf die Insel St. Helena in die Verbannung. Dort starb der Mann, der Europa verändert hatte, am 5. Mai 1821. Bestattet wurde er dort im „Tal der Geranien“.

Noch einmal und dann für immer kehrt Napoleon 1840 zurück nach Frankreich. Seine sterblichen Überreste wurden im Invalidendom in Paris beigesetzt.

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