Sprecher der Kölner Feuerwehr "Die eigene Wohnung ist der sicherste Ort im brennenden Gebäude"

Düsseldorf · In London kämpft die Feuerwehr seit Stunden gegen die Flammen im Grenfell Tower. Wie die Rettungskräfte bei einem solchen Brand vorgehen und wie sich Bewohner verhalten sollten – das erklärt ein Sprecher der Feuerwehr Köln.

Herr Heinisch, in London versucht die Feuerwehr einen Hochhaus-Brand zu löschen. Ist es schwieriger, die Flammen in einem Hochhaus in den Griff zu bekommen als in einem niedrigerem Haus?

Christian Heinisch Erst einmal muss man sagen, dass so etwas wie in London wirklich selten passiert.

Wieso?

Heinisch Weil ein Hochhaus in den seltensten Fällen komplett in Flammen steht, meistens sind nur einzelne Wohnräume betroffen. Das liegt an der Bauordnung in Deutschland. Die besagt, dass Häuser, die höher sind als 23 Meter eine spezielle Brandschutzverordnung erfüllen müssen.

Was besagt sie?

Heinisch Es muss beispielsweise ein zweiter Rettungsweg innerhalb des Hauses vorhanden sein. Normalerweise würden wir diesen Rettungsweg mit unseren Drehleitern vor dem Haus herstellen. Die reichen jedoch nicht über 23 Meter. Entsprechend muss von baulicher Seite entweder eine Feuertreppe außerhalb des Hauses gegeben sein oder ein Sicherheitstreppenhaus gebaut werden. Das ist durch spezielle Türen mit hohem Rauchschutz und Feuerwiderstand gesichert. Außerdem dürfen die Flure nur eine bestimmte Länge haben und die Wohnungstüren müssen ebenfalls eine bestimmte Rauch- und Feuerfestigkeit haben.

Heinisch Ich kenne weder das Gebäude noch die Bauordnung in England. Es kann aber sein, dass es ein altes Gebäude ist. Auch in Deutschland ist ein Haus aus den 50er Jahren mit weniger Brandschutzmaßnahmen ausgestattet als ein Neubau. Es kann aber auch viele andere Gründe haben, das fällt in den Bereich der Spekulation.

Ist ein Brand in einem Hochhaus also gar nicht wirklich gefährlicher?

Heinisch Natürlich ist es für die Feuerwehr eine besondere Herausforderung. Bei einem dreistöckigen Gebäude können wir unsere Einsatzzentrale vor dem Haus auf dem Bürgersteig aufbauen. Bei einem 27-stöckigen Hochhaus muss die Einsatzstelle in das Haus verlegt werden.

Wieso?

Heinisch Neben dem Team, das den Brand bekämpft, haben wir immer einen Sicherheitstrupp aus genau der gleichen Mannstärke bereitstehen. Passiert unseren Leuten etwas, können sie direkt zur Hilfe kommen und unterstützen. Stellen Sie sich vor, der Sicherheitstrupp müsste erst vom Erdgeschoss in den 22. Stock rennen – bis diese Distanz überwunden ist, kann jede Hilfe zu spät sein.

Wie gehen Sie also vor?

Heinisch Wir verlegen die Einsatzzentrale aus Logistik, Sicherheitstrupp und Führungsstelle zwei Etagen unter die brennende Wohnung. Wir nenne das ein Depotgeschoss.

Ist das nicht gefährlich?

Heinisch Nein. Die baulichen Maßnahmen reichen in der Regel völlig aus, um dort einen sicheren Aufenthalt zu Gewähr leisten. Wenn das Haus allerdings so in Flammen steht wie in London, müsste man natürlich draußen bleiben.

Wie sollten sich die Bewohner des Hochhauses verhalten, wenn es brennt – und sie vielleicht sogar den Rettungsweg nicht erreichen können?

Heinisch Die meisten Todesopfer bei einem Brand entstehen nicht durch die Flammen, sondern durch den Rauch. Das sollte man unbedingt im Hinterkopf haben. Deswegen ist die erste Maßnahme, in der eigenen Wohnung zu bleiben und die Türen und Fenster zu schließen, um den Rauch fernzuhalten. Dann sollte man die Feuerwehr anrufen und sagen, in welcher Wohnung es brennt und in welcher Wohnung man sich selbst befindet. Schlagen die Flammen ans Fenster, und die Scheibe reißt, dann erst ist der Zeitpunkt gekommen, um die Wohnung zu verlassen.

Sonst soll man die ganze Zeit in der Wohnung bleiben, selbst wenn der Brand in der Wohnung direkt über oder unter einem passiert?

Heinisch Ja. Denn durch die baulichen Auflagen ist die eigene Wohnung der sicherste Ort im brennenden Gebäude. Und wenn die Feuerwehr alarmiert ist, ist sie ja schnell da und hilft.

In Filmen schützen sich die Menschen vor dem Rauch immer mit nassen Handtüchern vor dem Mund. Bringt das wirklich etwas?

Heinisch Nein. Das kann ein paar Rußpartikel abhalten, aber das gefährliche Kohlenmonoxid nicht. Das ist so gefährlich, dass es wirklich nur durch ganz spezielle Atemvorrichtungen abgehalten werden kann. Deswegen atmet die Feuerwehr bei einem Einsatz nur Atemluft aus der Flasche. Die Einsatzkräfte sind also völlig unabhängig von der Luft in der Umgebung.

Gibt es andere Fehler, die man bei einem Brand machen kann?

Heinisch Man sollte auf keinen Fall den Aufzug benutzen, denn der kann jeder Zeit ausfallen. Wenn man darin feststeckt, und es dringt Rauch ein, ist das blitzschnell lebensgefährlich. Außerdem sollte man unbedingt die Wohnungstür schließen, wenn man sich aus einer brennenden Wohnung rettet. Heutzutage sind die Türen dick genug, um Rauch und Feuer für eine ganze Weile in der Wohnung zu halten – aber eben nur, wenn die Tür geschlossen ist. Das machen viele falsch. Das Wichtigste ist aber, dass man sein Hochhaus kennt.

Wie meinen Sie das?

Heinisch Man sollte wissen, wie die Rettungswege verlaufen, um im Notfall richtig reagieren zu können. Aber ein Brand in einem Hochhaus, ist kein Todesurteil, sonst würde man viel häufiger von entsprechenden dramatischen Ereignissen lesen.

Heinisch Wenn man so cool ist, könnte man – nachdem man aus der brennenden Wohnung geflüchtet ist und die Wohnungstür hinter sich geschlossen hat – den Schlüssel mitnehmen und ihn der Feuerwehr geben, mit genauen Angaben darüber, welche Nummer die Wohnung hat, auf welcher Etage sie liegt und wie man dorthin kommt. Gerade erst gab es in Gelsenkirchen einen Fall, in dem eine Wohnung hinter einer feuerfesten Wohnungstür ausgebrannt ist, weil die Einsatzkräfte sehr lange arbeiten mussten, bis sie die Tür aufbrechen konnten. Schlüssel und Angaben zu haben wäre also traumhaft, bleibt aber sicher Wunschdenken.

(ham)
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