Borussia Mönchengladbach DFL sieht nach Fall Kurt keinen Handlungsbedarf

Mönchengladbach · Der Fall Sinan Kurt zeigt: Im Kampf um Talente kollidieren Vorgaben der Fifa mit Vereinsinteressen. Der praktizierte Kompromiss liegt meist in einem "Gentleman-Agreement". Der Ligaverband kann damit leben.

Das ist Sinan Kurt
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Das ist Sinan Kurt

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Foto: dpa, paz fux

Mit dem Transfer zum FC Bayern ist das Gerangel um Borussias Talent Sinan Kurt beendet. Doch der Fall hat das Schlaglicht auf die immer wichtiger werdende Ausbildung von Jugendspielern geworfen. Ein Thema, das Fragen aufwirft. Hier gibt es Antworten.

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Welche vertragliche Situation lag den Verhandlungen zwischen Borussia und dem FC Bayern um Sinan Kurt zugrunde? Kurt hatte als 16-Jähriger einen Fördervertrag bei Borussia über drei Jahre bis 30. Juni 2015 unterschrieben. Nach Angaben des Beraters hatte er zur selben Zeit zudem einen ab 1. Juli 2015 geltenden, einjährigen Anschlussvertrag unterzeichnet.

Wie sehen die Vorgaben zu Verträgen für minderjährige Fußballer aus? Die Fifa schreibt im Paragraf 18, Absatz 2 ihres Reglements "bezüglich Status und Transfer von Spielern" vor: "Für Spieler unter 18 Jahren beträgt die maximale Laufzeit eines Vertrags drei Jahre. Klauseln mit längerer Laufzeit werden nicht anerkannt." Deutsche Profiklubs können mit Nachwuchsspielern ab der U16 einen Fördervertrag abschließen. In der DFB-Spielordnung (§ 7.1) ist hier im Widerspruch zur Fifa-Vorgabe von einem Mustervertrag im "3+2"-Modell die Rede, also von einem Vertrag über drei Jahre mit beidseitiger Option für zwei weitere Jahre. Das Mindestentgelt beträgt 250 Euro monatlich.

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Spiegeln die Fifa-Vorgaben die Interessenslage der Profivereine wider? Nein. Aus Sicht der Vereine ist es wichtig, Talente früh mit langfristigen Verträgen ausstatten zu können, um Fällen vorzubauen, in denen man jahrelang in die Ausbildung eines Talents investiert und dieses dann für höchstens kleines Geld den Klub verlässt.

Ist für die DFL-Klubs eine Loslösung von den Fifa-Vorgaben zu den Verträgen für Minderjährige möglich? Nein. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) unterwirft sich in seiner Satzung den Bestimmungen der Fifa. Und die DFL als Zusammenschluss der 36 deutschen Profivereine erklärt wiederum in ihrer Satzung die des DFB als verbindlich.

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Wie regeln die Vereine in der Praxis das Geschäft mit Talenten? Da sich die Vereine einig darüber sind, dass sie Talente zuvorderst für den eigenen Klub und nicht für den Transfermarkt ausbilden, hat man sich auf Klub- und Beraterebene offenbar auf ein "Gentleman-Agreement" verständigt, wie Borussias Sportdirektor Max Eberl in der "Sky"-Sendung "EinsEins" sagte. Dabei geht es wohl darum, dass Vereine in der Regel davon absehen, Talente frühzeitig und für kleines Geld von einem anderen wegzuholen. "Wir haben ein Gentleman-Agreement, das muss auch so bleiben, denn sonst ist sämtliche Jugendarbeit ad absurdum geführt, weil man dann nur noch für den anderen ausbildet", sagte Eberl bei Sky.

Was sagt das deutsche Arbeitsrecht generell zu Arbeitsverträgen mit Minderjährigen? Es sagt vor allem zweierlei, wie Tom Stiebert, Arbeitsrechtler an der Uni Bonn, erläutert. 1) "Minderjährige zwischen sieben und 18 Jahren dürfen Verträge nur unter besonderen Voraussetzungen schließen. Notwendig ist hier insbesondere die Einwilligung der Eltern als gesetzliche Vertreter." Und 2) "Einen allgemeinen Rechtssatz, dass ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis mit dem Eintritt der Volljährigkeit gekündigt werden kann, existiert nicht."

Welche Position vertritt die DFL? Auf Anfrage teilt ein DFL-Sprecher mit: "Nach unserer Kenntnis handelt es sich bei dem Wechsel um einen besonderen Einzelfall, der zwischen allen Beteiligten einvernehmlich gelöst wurde. Allgemeinen Klarstellungs- oder Regelungsbedarf sehen wir aktuell nicht."

Welche Position vertritt die Spielergewerkschaft VdV? Die VdV sieht die zuweilen angewandte Praxis im Widerspruch zu den Fifa-Vorgaben. Sie rät jungen Spielern von langfristigen Verträgen ab, um "flexibel auf die sportliche, schulische und persönliche Entwicklung" reagieren zu können. Sie plädiert für die Schaffung eines Tarifvertrages.

(RP)
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